Memes: Andocken an Internetkultur
Der Begriff „Meme“ wurde durch den Evolutionsbiologen Richard Dawkins geprägt. Er beschreibt damit Ideen, Verhaltensmuster und soziale Praktiken, wie sie durch Imitation verbreitet werden und so erhalten bleiben. Mit Blick auf die Sozialen Medien wurde die Idee des „Memes“ (oft auch: „Mem“) auf von User:innen kopierte oder nachgeahmte Inhaltselemente übertrage, z.B. kurze Musikausschnitte, ein Videoschnippsel oder bestimmte Fotos. Noch enger gefasst können Memes heute als ein besonderes Content-Format verstanden werden, genauer: eine besondere Form der Bild-Text-Komposition. Das Bildelement – meist eine (pop-)kulturelle Referenz (z.B. ein Screenshot aus einem populären Spielfilm oder Computerspiel) – wiederholt sich über die verschiedenen Meme-Varianten hinweg. Zusammen mit dem Bildaufbau bildet dieses ‚feststehende‘ Bildelement das Template oder die Vorlage. Für jede neue Variante wird diese Vorlage mit einem jeweils neuen, hinzugefügten Text und somit mit einer neuen Aussage oder Bedeutung versehen. [1]
Internet-Memes zeichnen sich dadurch aus, dass sie meist humoristisch oder ironisch sind und schnell und anonym verbreitet werden können. Zudem sind Memes einfach, z.B. mit so genannten Meme-Generatoren zu erstellen. Das macht Memes beliebt bei jungen User:innen und äußerst effektiv in der Verbreitung von Meinungen und Ansichten.
Memes als fester Bestandteil der Internetkultur sind in vielen Online-Kontexten anzutreffen, wobei sie in erster Linie der Belustigung dienen und weniger einer politischen Agenda folgen. Gerade das aber macht sie zu so attraktiven wie perfiden Formaten extremistischer Propaganda. Drastische Aussagen, auch diskriminierende oder verhetzende, werden durch dieses Format als eine Art „Witz“ und somit als harmlos präsentiert. Mittels solcher Hass-Memes sollen demokratie- oder menschenfeindliche Ansichten normalisiert und die Grenzen des Sagbaren verschoben werden. Wichtige Faktoren für ihre Effizienz im Netz sind ihre leichte Teilbarkeit als Bilddatei, die Bekanntheit von Memes als Formate, die Nutzung bereits weit verbreiteter Bildvorlagen als popkulturelle Referenz, das damit verbundene abgerufene Insider-Wissen und das lustvolle Erleben der eigenen Lesekompetenz (das Verstehen von Text und Bild in ihrer Verbindung).
Nicht nur Einzelpersonen kreieren und/oder posten Memes mit extremistischen Inhalten. Zuweilen geschieht dies auch orchestriert. Das im Zuge der Bundestagswahl 2017 bekannt gewordene rechtsextreme Netzwerk „Reconquista Germanica“ organisierte gezielte Social-Media-Aktionen, um die Stimmung im Vorfeld der Wahl zugunsten der von ihm favorisierten Partei zu beeinflussen. Dabei wurde auf eine Datenbank mit vorgefertigten Memes zurückgegriffen, die nach Themen wie „Linke“, „Ausländer“ oder „Medien“ geordnet war.
Für eine Radikalisierung können Memes womöglich eine Rolle spielen. Sie bieten einen ersten niedrigschwelligen Kontakt mit entsprechenden Ideologien und können den Eindruck vermitteln, dass die eigene Weltanschauung und die von Extremisten nicht weit auseinanderliegen. Das Verständnis von Insider-Witzen trägt außerdem dazu bei, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und sich selbst als Teil einer Ingroup zu sehen, die die diskriminierende Note eines vermeintlich lustigen Memes erkennt. Dies führt zu einem internen Zusammenhalt einer Gruppe, und kann dazu beitragen, dass immer radikalere Ansichten übernommen und wiederum über Memes weiterverbreitet werden. Solche Prozesse sind auch im Online-Umfeld der rechtsterroristischen Attentäter von Christchurch und Halle (Saale) erkennbar. Beide Männer verbrachten viel Zeit auf Image-Boards, auf denen Memes mit drastischen und menschenfeindlichen Inhalten geteilt und kommentiert werden, und auch in den ‚Manifesten‘ der Täter finden sich zahlreiche Referenzen darauf.
Anmerkungen:
[1] Memes gibt es auch als animierte GIFs oder Videos mit entsprechend wiederkehrenden und neukontextualisierten Ton- oder Bewegtbildsequenzen. Wir beschränken uns hier aber auf Memes als Bild- bzw. Text-Bild-Format.
Mehr zum Thema Memes:
Videoaufzeichnung des Panels Erb:innen des Froschs: Rechte Meme im „Digital Warfare“ (Fachtagung „Hass attraktiv: Formen und Formate extremistischer Online-Propaganda“)
Shifman, Limor (2014): Meme. Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter. Berlin: Suhrkamp
Amadeu Antonio Stiftung (2017): Meme: Die Kunst des Remix. Berlin. (PDF)