Der Nationalsozialismus: Positive Bezugnahme, Relativierung und Opferinszenierung

Wenngleich einige rechtsextreme Milieus die plakative Verherrlichung des Nationalsozialismus scheuen, so demonstrieren andere weiterhin offen ihre Verehrung. So werden verbotene nationalsozialistische Kennzeichen wie das Hakenkreuz oder SS-Runen in grafischen Darstellungen genutzt, ebenso einschlägige Parolen und Liedzeilen oder Zitate von NS-Größen. Adolf Hitler oder Rudolf Hess werden – gleichsam wie Wehrmachtssoldaten oder SS-Angehörige – als Helden und Vorbilder gezeichnet. Nicht nur zeigt sich insgesamt eine oft ungebrochene Identifikation mit nationalsozialistischem Gedankengut, sondern ebenso mit dessen Antisemitismus oder Antiziganismus und der menschenverachtenden Vernichtungspolitik des NS-Regimes.
Parallel dazu finden sich geschichtsrevisionistische Thesen. So wird z.B. in Posts, Videos und auf Webseiten, die sich ausschließlich diesem Thema widmen, der Holocaust relativiert oder geleugnet. Mit teils pseudowissenschaftlichen Darlegungen wird der organisierte Massenmord in Gaskammern als angebliche Lüge „entlarvt“. Der „Schuldkult“ angesichts des Holocausts diene dazu, die Deutschen zu unterdrücken und von den eigentlichen Verbrechen, nämlich denen der Alliierten, abzulenken. Da Holocaustleugnung und Relativierung der NS-Verbrechen einen Verstoß gegen den Jugendmedienschutz darstellen, geht jugendschutz.net gegen solche Verstöße vor. Im Themenfeld Rechtsextremismus geschah dies allein von Januar 2020 bis Juni 2021 in 68 Fällen.

Insgesamt weist das rechtsextreme NS-Geschichtsbild, wie es sich im Internet zeigt, viele Widersprüchlichkeiten auf. Teils wird der historische Nationalsozialismus inklusive seiner Untaten als Vorbild wahrgenommen und bspw. in rechtsextremen Computerspielen wie dem indizierten „KZ Manager“ verherrlicht, teils diese Verbrechen geleugnet oder relativiert. Letzteres dient auch dazu, um eine ungebrochene Identifikation mit dem Nationalsozialismus zu ermöglichen: Wenn die Deutschen im geschichtlichen Verlauf nicht mehr als Täter und Verbrecher gegen die Menschlichkeit erscheinen, sondern vielmehr zu Opfern stilisiert werden, wird so der historische Nationalsozialismus gleichsam entlastet.
Die Inszenierung als Opfer ist für sich nicht neu, im Zuge der Corona-Pandemie jedoch besonders populär geworden. So wird die heutige Bundesrepublik als „Diktatur“ dargestellt, die dem Nationalsozialismus in nichts nachstehen würde. Verschwörungserzählungen befeuern die Ansicht, dass Infektionsschutzmaßnahmen und die Corona-Impfungen nicht der allgemeinen Gesundheit dienten, sondern vielmehr ein erneuter Massenmord, ein neuer Holocaust stattfinden würde. Menschen, die an solche Erzählungen glauben, missbrauchen dabei den gelben „Judenstern“, setzen sich mit den im Nationalsozialismus verfolgten Jüdinnen:Juden gleich und relativieren so dessen Verbrechen. Alternativ eröffnet das Verschwörungsdenken angesichts der Pandemie, ihrer Gefahren und der Maßnahmen dagegen eine Brücke zu Verharmlosung oder Leugnung der NS-Verbrechen: Hier wie da sind angeblich Fakten erfunden oder überzogen, um dem (deutschen) Volk zu schaden, während jüdische Weltverschwörer:innen als Profiteur:innen bzw. Drahtzieher:innen vermutet werden.