Rechtsextreme Geschichtsbilder

Kampf gegen die Republik: Zwischen intellektuellen Idolen und Gewaltfantasien

Rechtsextreme beziehen sich in ihrer Propaganda häufig auf die Zeit der Weimarer Republik: Seien es Idole aus dieser Epoche oder historische Gesellschaftsdiagnosen. Insbesondere die Figuren der sogenannten „Konservativen Revolution“ sowie ihre Texte und Einlassungen werden von der Neuen Rechten intensiv aufgegriffen. Unter dem Begriff „Konservative Revolution“ werden oft nur lose miteinander verbundene Personen zusammengefasst, die zur Zeit der Weimarer Republik insbesondere durch ihre Ablehnung der neuen Ordnung von sich Reden machten. Gegen die republikanischen Ideale, den Liberalismus und die Demokratie brachten diese Autoren völkisch-rassistische, antiliberale, autoritäre und nationalistische Gegenentwürfe vor. Nicht wenige weisen eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus auf oder gelten gar als dessen Wegbereiter.

Aktuelle rechtsextreme Bezüge auf Akteure der Konservativen Revolution sowie die Weimarer Republik erfüllen gleich mehrere Funktionen. So sind Personen wie Carl Schmitt, Ernst Jünger oder Oswald Spengler mit ihren Weltanschauungen heute gesellschaftlich nicht derart tabuisiert wie der Nationalsozialismus und seine historischen Vertreter. Das gibt vor allem der Neuen Rechten die Möglichkeit, einerseits an Denktraditionen abseits des Nationalsozialismus anzuschließen, andererseits sich als Intellektuelle zu gerieren. Insbesondere Letzteres kann auf spezifische Weise attraktiv für junge Menschen erscheinen: Ein intellektueller Habitus bietet die Möglichkeit, sich als klüger oder belesener zu begreifen und sich damit von anderen abzugrenzen.

Wenig verwunderlich stößt man nicht selten auf entsprechende Propagandainhalten vor allem aus dem identitären Milieu mit diesem historischen Bezugspunkt: Sharepics verbreiten kurze Zitaten zentraler Figuren via Instagram, in Podcasts besprechen Rechtsextreme ihr Leben und Denken, einschlägige Verlage legen ihre Werke neu auf, die wiederum in Videospielen beworben werden. Die Gefahr eines solchen rechtsextremen Intellektualismus ist, dass demokratie- oder menschenfeindliche Gedanken oder Aussagen in ihrer theoretisch-abstrakten „Verpackung“ und ihrer eigenen ideengeschichtlichen Herleitung schwerer als solche zu erkennen sind oder verharmlost werden.

Schließlich nutzen Rechtsextreme die Weimarer Republik als historischen Zeitabschnitt, um Parallelen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen zu ziehen und sie in ihrem Sinne zu deuten. So wird die Zeit als eine des Kampfes begriffen, der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner – auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene, aber auch gewalttätig auf der Straße bzw. bei öffentlichen Veranstaltungen (z.B. in Form sog. „Saalschlachten“). Die Freikorps der Zwischenkriegszeit werden entsprechend als Vorbilder gesehen. Bilder von ihnen dienen auch als Motivvorlage für rechtsextreme Memes. Aus dem rechtsextremen Geschichtsbild der Jahre 1918-1933 werden damit identitätsstiftende und handlungsleitende Schlüsse gezogen: Man wähnt sich in einem Kampf gegen die vermeintlich verkommene liberale Gesellschaft, gegen Gleichheitsdenken und freiheitlich-demokratische Prinzipien.