Rechtsextreme Geschichtsbilder

Wurzeln, Glanz und Gloria: Romantik und antidemokratische Stimmungsmache

Ein eher kulturgeschichtliches zentrales Muster rechtsextremer (Online-)Propaganda ist die Ablehnung der Moderne mitsamt ihrem technischen Fortschritt, der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung sowie der Urbanisierung. In diesem Zusammenhang wird sich der Epoche der Romantik im 19. Jahrhundert als Gegenentwurf bedient. Insbesondere nationalistische und naturverbundene Motive und Stilelemente dieser Epoche werden in das rechtsextreme Geschichtsbild integriert, etwa das Landleben als Idyll und die Idealisierung der Natur.

Entsprechende ästhetische (Selbst-)Inszenierungen sind folglich ideologisch aufgeladen oder codiert. So etwa, wenn auf Instagram Rechtsextreme Fotos von Wald- und Wiesen-Settings oder Wanderungen und Survival-Abenteuern in wilder Natur veröffentlichen. Im Kontext rechtsextremer Weltsicht sind solche Bilder mit der Aufforderung verknüpft, sich von Erscheinungen und Lebensweisen der Moderne zu lösen und zu den eigenen, vermeintlich natürlichen „Wurzeln“ zurückzukehren. Aus einem solchen symbolischen Bezug entspringen auch Forderungen nach Naturschutz, der in diesem Zusammenhang zuvorderst als Heimatschutz begriffen wird und auf die Abwehr von fremden Einflüssen oder Menschen sowie einer als zerstörerisch gebranntmarkten Globalisierung zielt. So versuchen Rechtsextreme auch, an das vor allem bei jungen Menschen populäre Thema anzudocken.

Dementsprechend und konkreter historisch in ihren Anspielungen sind auch nationalromantische Denkmäler, die im deutschen Kaiserreich erbaut wurden, beliebte Fotomotive für Rechtsextreme. Sie unterstreichen nicht selten im Rückgriff auf das Germanentum den deutschen Nationalmythos. Ob Niederwald-, Hermanns- oder Völkerschlachtdenkmal: Über ihre Social-Media-Kanäle teilen rechtsextreme Einzelpersonen und Gruppen gerne Bilder davon, wie sie vor entsprechenden Bauten posieren, oder sie rufen als Eventangebot zu gemeinsamen Wanderungen zu ihnen auf. Auch in einem 2020 erschienen und indizierten Computerspiel wurde in das futuristische Setting ein solches Denkmal – das der Leipziger Völkerschlacht 1813 – als historisch aufgeladener und anspielungsreicher Schauplatz eingebaut bzw. thematisiert.

Ohnehin ist das Deutsche Kaiserreich häufig in rechtsextreme Geschichtsbilder verwoben. Die Farben der Reichsflagge (Schwarz-Weiß-Rot) werden verwendet, der Reichskanzler Bismarck verehrt oder die kolonialen Bestrebungen jener Zeit gepriesen. Die Identifikation mit der alten Größe des Kaiserreichs, seinem Militarismus sowie Glanz und Gloria der Wilhelminischen Zeit dienen dabei auch zur Abgrenzung gegen die verhasste Bundesrepublik und somit einer antidemokratischen Stimmungsmache.

Reichsbürgerbewegung:

Einen besonderen Bezug zum Kaiserreich haben sog. “Reichsbürger”. Diese erklären die Bundesrepublik Deutschland für nicht existent und behaupten, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1871, 1918 oder 1933 fortbestehe. Sie berufen sich dabei meist auf Umdeutungen historische Ereignisse und verknüpfen diese mit zum Teil verschwörungsideologischen Argumenten. 2020 rechnete das Bundesamt für Verfassungsschutz circa 20.000 Personen der „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Szene zu, wobei es 1.000 als dezidiert rechtsextrem einstufte. Dadurch, dass dieses Milieu den demokratischen Rechtstaat samt Gesetzen und Exekutivgewalt als fundamentales Unrecht ablehnt, sind “Reichsbürger” in der Vergangenheit durch Aggressionen bis hin zu schweren Gewalttaten wie Mord aufgefallen.