Rechtsextreme und "Querdenker" instrumentalisieren Hochwasserkatastrophe

Die Katastrophenlage in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nutzen Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure für Propagandaaktionen zur Selbstdarstellung und Mobilisierung. Bekannte Personen der Szene, darunter bekannte Holocaustleugner:innen, kommen ins Krisengebiet und inszenieren sich als vorgebliche Helfer:innen oder „alternative“ Berichterstatter:innen. In Social-Media-Diensten wie Facebook und vor allem Telegram dokumentieren sie ihre Aktionen und schildern ihre Sichtweise auf die Situation vor Ort. Häufig sind die Meldungen falsch oder stark verzerrt und stehen im Dienst der eigenen politischen und weltanschaulichen Agenda. So werden etwa die Zerstörungen als Beweise für ein allgemeines Staatsversagen dargestellt, die Selbsthilfe und -organisation vor Ort hingegen als Ausdruck der beschworenen „Volksgemeinschaft“. Maßnahmen der Katastrophenhelfer:innen werden dagegen behindert oder gar angegangen. Auch eigene Spendenaufrufe, die Übergabe von Sach- und Geldspenden oder Versammlungen unter diesen Vorzeichen werden online propagandistisch verwertet.

Groß ist die Zahl von Gruppen und Personen aus der „Querdenker-“ oder „Corona-Rebellen“-Bewegung oder deren Umfeld. Sie agieren vor Ort, um mit eigenen Maßnahmen ihr Gedankengut zu verbreiten und um die Arbeit staatlicher Helfender zu unterwandern. So wurde mit einem Lautsprecherfahrzeug, das einem Polizeieinsatzwagen ähnelte, die Falschmeldung verbreitet, die Anzahl der Rettungskräfte würde reduziert. In einer Grundschule in Ahrweiler richteten Aktivist:innen nicht nur einen eigenen Krisenstab zur Verteilung von Hilfsmitteln ein: Als vermeintliches Hilfsangebot plante dort ein der Querdenkenden-Szene nahestehender Verein, ein eigens Kinder- bzw. Familienzentrum u.a. für die Betreuung von Kindern. Das rheinland-pfälzische Jugendamt erwirkte dessen Schließung.

Das übergreifende Narrativ bei diesen und anderen Betätigungen online und offline: „Mainstreammedien“ und Verwaltung hätte im Angesicht der Wetterkatastrophe nicht ausreichend informiert und vor den Überflutungen geschützt. Auch Verschwörungsphantasien, laut denen der Starkregen Ergebnis eines technischen Geheimprojekts seien, kursieren im Internet. Wie auf den Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen zeigen Personen des verschwörungsideologischen und corona-leugnenden Milieus vor Ort keine Berührungsängste mit bekennenden Neonazis oder Holocaustleugner:innen. Dies weder vor der Kamera entsprechender Videos, noch in den damit transportierten Aussagen.

Gerade bei jüngeren Menschen können die Erzählungen und Bilder von der Flutkatastrophe und deren verheerenden Folgen Sorgen und Ängste auslösen. Auf der Suche nach Erklärungen oder Antworten auf die Frage, wie sich solche Desaster verhindert lassen, fallen propagandistische Botschaften mit ihren ideologischen Deutungen und Schuldzuschreibungen schnell auf fruchtbaren Boden. Erziehende und pädagogische Fachkräfte können dem entgegenwirken. Etwa, indem sie u.a. mit den Heranwachsenden politisch-ideologische Vereinnahmungen der Unglückslage besprechen, aber auch die Vielfalt und Komplexität der Ursachen sowie die tatsächlichen oder geplanten staatlichen Hilfs- und Schutzmaßnahmen.

Zu dem Thema finden Sie auch hier ein entsprechendes Papier der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz: Hochwasserkatastrophe und der Mobilisierung rechtsextremer Akteure  

Juli 2021