Bundestagswahl 2021: Islamistische Gruppen rufen zum Wahlboykott auf

Ähnlich wie bereits bei der Bundestagswahl 2017 rufen islamistische Gruppen, die der Hizb ut-Tahrir nahe stehen, auch vor der diesjährigen Bundestagswahl 2021 zum Wahlboykott auf. Begründet wird dies damit, dass der Bundestag unislamisch sei, weil menschengemacht. Er folge nicht den Gesetzen Allahs. Dadurch sei er kategorisch abzulehnen. Die Gesetze, die der Bundestag erlässt, werden als "taghut" verschmäht, d.h. als etwas, das dem Glauben (an Allah) diametral gegenübersteht. Sowohl eine Beteiligung im Bundestag als auch der Gang zur Urne seien von Muslim:innen daher zu unterlassen. Die Protagonisten inszenieren sich dabei grundsätzlich als scheinbare Sprecher für die muslimische (Welt-)Gemeinschaft. Positiv fällt unter entsprechenden Beiträgen im Netz die Gegenrede in den Kommentaren auf: Eine Userin schreibt: "Bald ist auch atmen haram..." (haram = verboten), ein anderer User kommentiert: "Was für Schwachsinn!"

Ein Video aus islamistischen Kreisen zeigt einen erfundenen Wahl-O-Mat, der ausschließlich vermeintlich feindliche Einstellungen jeder Partei zu Muslim:innen angibt. Demnach würden alle Parteien einer muslimfeindlichen politischen Agenda folgen. Die Wahl für eine Partei bei der Bundestagswahl gleiche der Wahl für verschiedene "Gifte". Stärke, Gehör und eine nicht näher umschriebene "Veränderung" würden Musliminnen und Muslime einzig in einer "starken muslimischen Community" finden, die sie statt der Parteien wählen sollen. Mit Bedauern kommentiert eine Userin, dass islamische Blogger zur Wahl ermutigen würden. 

Darin steckt das Gedankengut der Hizb ut-Tahrir, die ein Kalifat, d.h. einen utopischen Staat nach islamischem Vorbild, anstrebt. Typisch für ihre Rhetorik ist der Wunsch nach "Veränderung". Es geht Anhänger:innen der Hizb ut-Tahrir weniger darum, Macht in westlichen Ländern auszuüben, als viel mehr darum, ihre Botschaft und Ideologie zu verbreiten. Junge Menschen sollen sich in Deutschland nicht zugehörig fühlen. Insbesondere junge User:innen, die sich muslimisch identifizieren und auf der Suche nach Orientierung im Netz nicht selten auf Beiträge islamistischer Gruppierungen stoßen, sind angesichts dieser Darstellungen einem hohen Manipulationsrisiko ausgesetzt. Sie sollen dem politischen System in Deutschland misstrauen und demokratische Grundprinzipien wie Volkssouveränität oder Gewaltenteilung ablehnen.

Zum Thema "Darf ich als Muslim wählen?" können Sie hier ein Dossier für die Praxis von ufuq.de abrufen: https://www.ufuq.de/wp-content/uploads/2016/01/Dossier_Islam_und_Demokratie.pdf